Freuds Triebkonzept
Diesem Bild des Symptoms als Ersatzhandlung für die Perversion liegt ein weiteres Konzept zugrunde, dessen Betrachtung sich sehr lohnt: Das Triebkonzept. Wie man an der Diskussion im letzten Absatz sieht, erscheint der Trieb als eine Art Quelle, deren Energie entweder in eine sexuelle Betätigung oder in ein Symptom fließt.
Wie kommt Freud überhaupt auf die Idee eines Triebs? Freud begann seine Arbeit mit Studien an der Hysterie, die er zusammen mit Josef Breuer 1895 veröffentlichte. Im Zentrum dieser Studien stand das Phänomen, dass die Hysterie auf traumatische Erlebnisse zurückgeht, welche in einem Teil der Psyche nahezu unzugänglich verschlossen sind. Freud und Breuer gelang es, diese traumatischen Erlebnisse wieder ins Bewusstsein zu bringen und sie beobachteten, dass damit die hysterischen Symptome verschwanden
Zur Erklärung dieser Beobachtungen teilte Freud die Psyche in verschiedene Bereiche ein. Die traumatische Erinnerung verweilte im Bereich des Unbewussten und konnte nicht bewusst werden, weil eine Kraft sie im Unbewussten hielt. Gleichzeitig aber strebte die Erinnerung - oder besser gesagt, der Affekt, der mit der Erinnerung verbunden war - ins Bewusstsein. Als Resultat dieses Kräftespiels entstand als "Kompromiss" das neurotische Symptom. Das ist grob dargestellt das dynamische Konzept der Psychoanalyse.
Wenn es ein Kräftespiel in der Psyche gab, dann stellte sich die Frage, welcher Art die Kräfte sind, die in der Psyche um das Bewusstwerden einer Information ringen. Nachdem Freud im Kern aller bis dahin behandelten Hysteriefälle eine sexuelle Thematik entdeckt hatte, nahm er an, dass die Kraft, die ins Bewusstsein drängte, der Sexualtrieb selbst ist. Über die Kraft, die die Abwehr vornahm, also die Erinnerung im Unbewussten halten wollte, gab es verschiedene Modelle. Über einen längeren Zeitraum nahm er an, dass es sich hierbei um einen abgespaltenen Anteil des Sexualtriebs handelt.
In dieser frühen Phase seines Lebenswerks nahm Freud an, dass die Sexualität Bestandteil eines umfassenderen Lebenstriebs (Libido) sei. Er nahm an, dass die Triebe nicht Bestandteil der Psyche sind, sondern letztlich im Körper, also in biologischen Vorgängen zu suchen sind. In dieser Phase seines Werks bis etwa 1923 nahm er an, dass alle Triebe letztlich Abwandlungen dieses einen Lebenstriebs waren. Später stellte er der Libido einen sogenannten Todestrieb zur Seite.