Der Wert des Buches
Nachdem ich mich beinahe in Rage geschrieben hätte, muss ich ein loses Ende noch einmal aufgreifen und das ist die Erwähnung des Heiligenfeld-Kongresses. Ich schätze diese Kongresse sehr, sie sind eine wohltuende Quelle der Inspiration für mich.
Wie manchen Lesern vielleicht bekannt ist, sind die Heiligenfeld-Kliniken auf das Thema Burnout spezialisiert. Eigentlich wäre das Burnout eine Diagnose für sich, aber es hat eine weitgehende funktionale Ähnlichkeit und Überlappung der Symptome mit dem Phänomen der Depression. Und da selbst nach jahrzehntelanger Arbeit am Thema Burnout und zahlreichen eindeutigen Veröffentlichungen nach wie vor von den Kassen keine Psychotherapien mit der Diagnose Burnout bezahlt werden, wird von vielen Ärzten und Psychotherapeuten stattdessen die Diagnose Depression gestellt.
Das hat einerseits eine gewisse Berechtigung, weil man aus meiner Sicht beide Phänomene ohnehin nicht getrennt voneinander betrachten kann. Andererseits behindert es das Unterfangen, verlässliche Zahlen über das Phänomen des Burnouts zu gewinnen. Warum das wichtig ist, lässt sich in diesem Aufruf ganz gut nachvollziehen.
Es ist also kein Zufall, wenn im Rahmen der Heiligenfeld-Kongresse die These Ehrenbergs zum Phänomen der Massenerschöpfung zahlreich aufgegriffen wird. Tatsächlich haben jedoch alle Vorträge, die ich gehört habe und die Ehrenbergs These aufgegriffen haben, die These in den Kontext der Entfremdung vom Selbst und der Ersatzhandlungen gestellt.
Wenn das Buch dazu beigetragen hat, die Diskussion in diese Richtung zu führen, hat es tatsächlich seinen Sinn erfüllt, nämlich das Anregen einer fruchtbaren Diskussion.
Ein weiterer Aspekt des Buches, den ich in meiner Rezension bislang außen vor gelassen habe, ist die Rolle der Medikation und insbesondere des Medikaments Prozac. Zitat:
In einer Gesellschaft, in der Menschen ständig psychoaktive Substanzen einnehmen und so künstlich ihre Stimmung verändern, kann man nicht mehr sagen, wer jemand selbst ist […] Das „wer“ ist hier das Schlüsselwort, denn es bezeichnet den Ort, an dem es ein Subjekt gibt. Werden wir sein Verschwinden erleben?
Das führt zu einem Gedanken, den man etwa so ausführen könnte: Wie souverän ist der Souverän einer demokratischen Gesellschaft, der Entscheidungen in Abhängigkeit von stimmungsaufhellenden Substanzen fällt?